18-6 Interview

Interview: United Airlines will bis 2050 klimaneutral fliegen

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Beim Ziel einer CO2-neutralen Welt sind Wirtschaft wie Gesellschaft gleichermaßen gefordert. Auch Fluggesellschaften stehen vor der Herausforderung, Emissionen zu reduzieren. Über den Klimaschutz bei United Airlines hat USA ENTDECKEN mit Thorsten Lettnin, Director Sales Continental Europe, India & West-Africa bei United Airlines, gesprochen.


Kann Fliegen überhaupt CO2-neutral sein?

 

Thorsten Lettnin: Ja, wir bei United Airlines sind wir davon überzeugt, dass das möglich ist. Als erste große Fluggesellschaft der Welt haben wir es uns zum Ziel gesetzt, dass wir es bis zum Jahr 2050 schaffen, klimaneutral zu fliegen. Das ist ambitioniert, zumal wir dabei auf die üblichen Programme, den Ausstoß von CO2 andernorts zu kompensieren, verzichten. Wir verfolgen stattdessen den Ansatz, dass ein solcher Ausgleich gar nicht notwendig ist, indem wir den eigentlichen Ausstoß klimaschädlicher Gase sowie die Belastung der Luft verringern.

 

Wie kann das gelingen? 

 

Thorsten Lettnin: Man muss dazu das Fliegen ganzheitlich betrachten und jeden einzelnen Prozess genau unter die Lupe nehmen, um zu verstehen, was sich wie verändern lässt. Naturgemäß spielt beim Fliegen der verwendete Kraftstoff eine zentrale Rolle. Entsprechend hat United Airlines bereits massiv in die Produktion sowie den Kauf von nachhaltig hergestelltem Kerosin, sogenanntes Sustainable Aviation Fuel, kurz SAF, investiert. Damit liegen wir im Vergleich sogar ganz weit vorne, denn zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat keine andere Fluglinie der Welt sich zur Abnahme einer derart großen Menge SAF verpflichtet wie United. Das macht uns durchaus etwas stolz, spornt uns aber auch an, den eingeschlagenen Weg mit aller Konsequenz weiter zu verfolgen. Nach heutigem Stand ist SAF eine Technologie mit hoher Erfolgsaussicht. Doch bleiben wir auch für andere Wege offen. Deshalb investieren wir über unsere Firma ‚United Ventures‘ parallel in Innovationen und neue Technologien, die ebenso zielführend sein können. Somit arbeiten wir zeitgleich an mehreren Initiativen.


Nun ließe sich einwenden, dass die SAF-Produktion im Vergleich zum tatsächlichen Verbrauch derzeit noch relativ gering ist …

 

Thorsten Lettnin:  Das ist in der Tat richtig, unsere Branche steht hier erst am Anfang einer sehr vielversprechenden Entwicklung, auch wenn United Airlines bereits seit 2016 SAF dauerhaft verwendet. Ohne SAF wird CO2-neutrales Fliegen nicht funktionieren, weshalb hier die Industrie gefragt ist, entsprechende Kapazitäten zu schaffen. Das geschieht auch. Wir sehen bereits, wie an vielen Orten neue SAF-Produktionsanlagen entstehen, beispielsweise auch in Frankfurt und Hamburg. Nach aktuellem Stand erfolgt knapp die Hälfte der weltweiten Abnahme von SAF durch United Airlines. Das spiegelt auch Bestreben wider, eine möglichst hohe Nachfrage für SAF zu generieren und verbindliche Abnahmen frühzeitig zu garantieren, um auf diesem Weg den Innovationsdruck in eine effizientere und kostengünstigere Produktion von SAF voranzutreiben. Dies ist ein elementarer Baustein unserer Strategie mit hoher Relevanz für die gesamte Luftfahrtbranche.

 

Wie versucht United, neben dem Einsatz von SAF den ökologischen Fußabdruck des Fliegens ebenso zu verringern? 

 

Thorsten Lettnin:  Da gibt es verschiedenste Bereiche. Zum Beispiel haben wir in die sogenannte ‚Direct Air Capture‘-Technologie investiert. Bei diesem revolutionären Verfahren, das gleich von einer ganzen Reihe unabhängiger Fachleute zertifiziert ist, wird der Luft Kohlendioxid entzogen und anschließend in einem sicheren Verfahren unter der Erde eingelagert. Ein weiteres Stichwort ist das elektrische Fliegen, wo wir ebenfalls bereits mehrere zukunftsweisende Investitionen getätigt haben. Elektrisches Fliegen kann unter anderem für eher kürzere Strecken interessant sein, etwa als Zubringer zu unseren Flügen. Nachhaltigkeit beschränkt sich aber nicht allein aufs Fliegen. Wir sind auch gerade dabei, unsere globale Flotte von über 4000 United-eigenen Fahrzeugen für die Bodenabfertigung auf elektrischen Antrieb oder den Betrieb mit alternativen, umweltschonenden Kraftstoffen umzustellen. An einzelnen Flughäfen wie Houston oder Los Angeles haben wir bereits weit über zwei Drittel der Fahrzeuge umgerüstet. Und selbstverständlich gehört auch eine moderne Flugzeugflotte zu unserem Konzept. Moderne Flugzeuge sind viel effektiver und verbrauchen weniger Kerosin. Dies war einer der wesentlichen Gründe für United Airlines, die jüngst erfolgte Bestellung von 550 topmodernen Jets vorzunehmen, die größte Order, die es in der Geschichte der kommerziellen Luftfahrt jemals gab.

 

Im Sommer 2021 hat United Airlines angekündigt, in ein paar Jahren Überschallflüge anzubieten. Wie passt das mit Ihren Zielen in Sachen Nachhaltigkeit zusammen? 

 

Thorsten Lettnin: Wir denken, dass das sehr gut zusammenpassen kann. Andernfalls hätten wir nicht den Kauf der neuartigen Overture-Überschallflugzeuge von der Firma Boom Supersonic vereinbart, sobald diese unsere hohen Sicherheits- und Umweltstandards erfüllen. Man darf nicht vergessen: Das Ziel bei Overture ist es, das erste große Flugzeug in der Geschichte der kommerziellen Luftfahrt zu entwickeln, das vom allerersten Betriebstag an komplett CO2-neutral betrieben wird.

Welche Möglichkeiten bietet United den Kunden, sich für den Erhalt von Klima und Umwelt zu engagieren, und wie ist die Resonanz dafür? 

 

Thorsten Lettnin: Unsere Fluggäste haben die Möglichkeit, im Rahmen unseres ‚Eco-Skies CarbonChoice‘-Programms Emissionsausgleiche zu erwerben oder Meilen für ihren Kauf zu spenden. Hier registrieren wir in den vergangenen Jahren erfreuliche Zuwächse. Für große Unternehmen haben wir außerdem die Eco-Skies Alliance ins Leben gerufen. Hierbei können Firmen die für SAF anfallenden Mehrkosten ausgleichen und damit deutlich mehr leisten als bei einem üblichen Emissionsausgleich. Unter den Unternehmen, die dieser Allianz beigetreten sind, finden sich bereits viele prominente Namen wie DHL, HP, Nike und Siemens. Darüber hinaus haben wir mit dem ‚Carbon Calculator‘ ein Tool entwickelt, mit dem wir das Bewusstsein für Nachhaltigkeit zusätzlich sensibilisieren und insbesondere das gemeinsame Handeln im Zusammenspiel mit unseren Firmenkunden vorantreiben wollen. Über den ‚Carbon Calculator‘ können sich Travel Manager sehr genau den CO2-Ausstoß aller Dienstreisen ihres Unternehmens auf Flügen von United Airlines darstellen lassen, wobei neben den Flugstrecken auch die eingesetzten Flugzeuge berücksichtigt werden. Das verbessert die Transparenz und ist sehr wichtig für die Datenerfassung und die Messbarkeit. Denn nur, wenn wir etwas messen können, können wir es auch effektiv managen.

 

 

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Christian Dose, Herausgeber USA ENTDECKEN und Chefredakteur 360° USA.