Nachgefragt in Alabama
Kinostart für „Respect“: Vom Spirit der Swampers
Foto: Muscle Shoals Sound Studio
Ein Gespräch mit Judy Hood über die legendären Musikstudios der Muscle Shoals-Region in Nordalabama und den Film Respect, der aktuell in den deutschen Kinos läuft.
Sowohl das Muscle Shoals Sound Studio als auch die FAME Studios bieten geführten Touren an. Muss man wirklich beide gesehen haben? Wie unterscheiden sich die Erlebnisse?
Judy Hood: Beides sind ikonische Aufnahmestudios, deren ganz eigener Musikstil weltweit enormen Einfluss genommen hat. Bei FAME hat alles begonnen, denn dort haben The Swampers ihre Karriere gestartet. Nur offiziell hießen sie Muscle Shoals Rhythm Section. Der Inhaber Rick Hall, den wir 2018 verloren haben, war damals einer der einflussreichsten Produzenten überhaupt. Hunderte von großartigen Platten hat FAME eingespielt. Denken Sie nur an You Better Move On von Arthur Alexander und I Never Loved a Man The Way I Love You von Aretha Franklin. Unvergessen blieben auch Wilson Pickett mit Land of 1000 Dances, Etta James‘ Tell Mama und One Bad Apple der Osmonds. Nachdem die Swampers im Jahr 1969 das Muscle Shoals Sound Studio gegründet hatten, landeten sie sofort ganz große Hits des Rhythm & Soul und Blues. Dazu gehörten auch Take a Letter Maria von R. B. Greaves, die Wild Horses der Rolling Stones und Tonight’s The Night von Rod Stewart. Und wer kennt nicht Paul Simons Kodachrome, oder I’ll Take You There von den Staple Singers. Ebenso wurde Old Time Rock & Roll, in diesem Studio von Bob Seger aufgenommen.
Foto: Judy Hood
Tolle Geschichten und was für eine Geschichte! Aber ist das nun alles nur Vergangenheit oder lebt der Geist der Swampers noch irgendwo weiter?
Judy Hood: Und ob! Diesen Spirit der Swampers hört man sehr deutlich in Hits der Gegenwart von Künstlern und Produzenten wie Jason Isbell, The Drive-By Truckers, Brittany Howard und The Secret Sisters. Sie alle stammen aus Nordalabama und standen lange ganz stark unter dem Einfluss der Musik, die nur Muscle Shoals hervorbringen konnte. Der vierfache Grammy-Preisträger, Songwriter und Live-Künstler John Paul White hat mal gesagt, er wie alle anderen Musiker in The Shoals stünden auf den Schultern der Swampers und zehrten von all den Platten, die in ihrem kleinen Studio entstanden sind. Er meint sogar, er stehe bei ihnen in einer Schuld, die er niemals zurückzahlen könnte, auch wenn er sich noch so sehr anstrengen würde.
Das Muscle Shoasl Sound Studio wurde 1969 von den Swampers gegründet. Dein Ehemann David Hood war Mitglied der Band. Spielt er seit der Wiedereröffnung des Muscle Shoals Sound Studio wieder eine aktive Rolle?
Judy Hood: Ja, David kommt dreimal in der Woche vorbei und unsere Besucher sind dann immer wieder ganz hingerissen, wenn er in den Raum tritt. Und er ist auch auf den jüngsten Platten von Muscle Shoals Sound zu hören. Er ist begeistert, das Studio renoviert zu sehen, und sagt, „es fühlt sich an, wie nach Hause zu kommen“. Übrigens spielt er auch in anderen Studios unserer Region.
David hat über all die Jahrzehnte mit sagenhaft vielen Berühmtheiten zusammengearbeitet und blickt auf eine lange Liste von Welthits. Könntest Du mir sagen, welche davon Du am liebsten hörst?
Judy Hood: Da muss ich nicht lange nachdenken. Es sind ganz klar I’ll Take You There, Old Time Rock & Roll und Kodachrome.
Ganz aktuell ist die Filmbiographie Respect über Aretha Franklin in deutschen Kinos zu sehen; auf Englisch kam sie im letzten August heraus. Was hast Du gefühlt, als Du David auf der Leinwand gesehen hast? Und wie nah kommt der Film an das wirkliche Geschehen von damals heran?
Judy Hood: Als die Produzenten in Atlanta die FAME-Szene drehten, luden sie dazu David und Spooner Oldham ein, die seinerzeit beide als Studiomusiker mit Aretha Franklin gearbeitet hatten. Die Filmemacher wollten sichergehen, dass sie alles akkurat wiedergaben und baten David und Spooner um ihr Urteil. Ich war auch dabei, und es erschien mir so unwirklich, neben David zu sitzen, als die Einstellung mit einem jungen Schauspieler an seiner Stelle gefilmt wurde. David war von der Darbietung sehr angetan. Die Produzenten legten größten Wert auf die Authentizität ihres Films; deshalb hatten sie uns ja herbeigebeten. Das Set, die Requisiten und das Drehbuch sollten exakt das Ereignis wiedergeben, das Arethas Leben so völlig verändert hat. Und sie haben wirklich auf uns gehört. An einer Stelle merkte David an, dass der Darsteller für Johnny Johnson die falsche Gitarre hielt. Also haben sie das Instrument ausgetauscht. Myk Watford, der Rick Hall verkörperte, ließen sie an einer Stelle etwas sagen, das der wirkliche Rick unserer Ansicht nach mit sehr viel „deutlicheren“ Worten ausgedrückt hätte. Sie haben auch das geändert. Myk lebt zwar in Los Angeles, stammt aber selbst auch aus der Shoals-Region. Seine Rolle hat er großartig gespielt. Myk hat gesagt, dies seien die Helden seiner Heimat, und „deshalb mussten wir es einfach hinbekommen.“
Was außer den beiden Studios sollte man sich in The Shoals noch anschauen, um die Musik der Region voll zu erfassen?
Judy Hood: Ganz bestimmt gehört die Alabama Music Hall of Fame in Tuscumbia dazu. Das Museum, bei uns auch kurz und bündig AMHOF gekannt, sammelt das Beste aus allen Musikgenres, das je in Alabama geschrieben, produziert oder gespielt wurde – von Menschen aus unserem Staat oder mit engen Bindungen zu Alabama. Hunderte von Künstlern werden dort geehrt. Hank Williams, Jimmy Buffett und Lionel Richie gehören ebenso dazu wie Emmylou Harris, Tammy Wynette, The Temptations und Dr. Hook. Und natürlich darf auf keinen Fall das Erlebnis heutiger Live-Musik fehlen. Fast jeden Abend gibt es Auftritte in Florence, und zwar im FloBama an der Court Street sowie in der Swampers Bar des Marriott Shoals Hotel & Spa. Und an den Wochenenden überflutet Musik die ganze Region.
Judy Hood ist Autorin, Marketing-Beraterin und eine unermüdliche Botschafterin der Musikindustrie in der Muscle Shoals-Region ganz im Nordwesten von Alabama. Sie ist mit David Hood (78) verheiratet, dem legendären Bassisten der Swampers.
Hood ist Inhaberin und Geschäftsführerin des örtlichen Reiseveranstalters Swampette Music Tours. In dieser Rolle hat sie bereits Tausende von Besuchern aus dem In- und Ausland durch die Aufnahmestudios der Region und die Alabama Music Hall of Fame geführt. Sie arbeitet eng zusammen mit dem Tourismusbüro des Staates Alabama, dem Alabama Tourism Department. Der Wirtschaftsförderung der Shoals-Region hilft sie dabei, aus Musik und deren Geschichte Wert für die Einheimischen zu schöpfen. Sie ist die Vorsitzende der Music Shoals Music Foundation, einer gemeinnützigen Stiftung, die das kultige Muscle Shoals Sound Studio am Jackson Highway 3614 in Sheffield besitzt und betreibt. Auch ist sie Vorstandsmitglied der Alabama Music Hall of Fame.